Martinimarkt als festlicher Höhepunkt in der zweiten Jahreshälfte
Ein Exkurs in die Geschichte des traditionsreichen Marktes in Nottuln
von Hans-Peter Boer (Historiker und Kulturdezernent der Bezirksregierung Münster a. D.) und Christian Wermert (Archivar der Gemeinde Nottuln und Historiker)
Der festliche Höhepunkt in der zweiten Jahreshälfte ist schon seit Jahrhunderten der traditionelle Martinimarkt.
1622 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, erfreut sich dieser fast 400 Jahre alte, einzigartige Markt in jedem Jahr seines Bestehens ausgesprochen großer Beliebtheit. Wie aus Kreisen der Veranstalter zu entnehmen ist, ist auch in diesem Jahr wieder für jeden etwas dabei. Die vielen Aussteller gruppieren sich nach alter Tradition wieder um die Pfarrkirche St. Martinus, auf dem Kirchplatz, dem Stiftsplatz und auf den Nebenstraßen. Dabei ist die Mischung aus Festveranstaltung, Kirmes, Handwerker- und Gewerbeschau sicherlich auch in diesem Jahr wieder so attraktiv, dass zahlreiche Besucher in unsere Gemeinde kommen werden, denn der Martinimarkt ist nicht nur von lokaler Bedeutung, sondern auch weit über Nottulns Grenzen hinaus bekannt.
Die einzigartige barocke Gesamtplanung des Stiftsplatzes bietet ein einmaliges Ambiente für einen seit Generationen begangenen Markttag. In Nottulns „Guter Stube”, die gleichzeitig Zentrum des urbanen Lebens ist, hat dieser Markt schon Höhen und Tiefen überlebt und teilweise sogar einen völligen Bedeutungswandel erfahren.
Bis in die 1950er Jahre der wichtigste Termin im bäuerlichen Wirtschaftsjahr
Der Martinimarkt zu Nottuln im November gehörte bis in die 1950er Jahre zu den wichtigsten Terminen im bäuerlichen Wirtschaftsjahr des Münsterlandes. Das Markttreiben, vor allem Martinimontag, lockte bereits in aller Frühe Dorf- und Bauerschaftsbewohner auf die Straßen und Plätze, ebenso zahlreich fanden sich auswärtige Besucher ein. Handel und Wandel erlebten an diesem Tag ihren Höhepunkt, für viele war dieser Termin die selbstverständliche Gelegenheit zu Kontrakten und Abrechnungen. Weit spannte sich der Bogen über den Vieh-, Kram- und Wurstmarkt hin zu den vielen Vergnügungsmöglichkeiten. Schon Mitte der 1950er Jahre wurden am Martinimontag fast 10 000 Besucher in Nottuln geschätzt. Die Gastwirtschaften eröffneten bereits in den frühen Morgenstunden, spätestens ab 9 Uhr lief das Kirmestreiben und die einheimischen Geschäftsleute warben mehrfach mit großen Verkaufsausstellungen für ihre Produkte. Daneben war der Martinimontag für die meisten Nottulner Familien traditionell ein Wiedersehenstag, an dem man den Zusammenhalt untereinander dokumentierte.
Spätestens um 1960 trat ein Wandel ein, der den Martinimarkt zu einer der zahlreichen Kirmessen des Münsterlandes zu degradieren begann. Zum einen wurde die bäuerliche Wirtschaftswelt durch Rationalisierung und Mechanisierung völlig verändert. Viele Bauern gaben ihre Höfe auf, kaum einer konnte bei gestiegenen Löhnen noch Knechte und Mägde halten. Die Abwanderung der Arbeitskräfte in die Industrie oder den Handel waren ein Ausdruck dieser Veränderung. Die Urlaubsregelungen erschwerten es vielen Bürgern, den traditionellen Feiertag einzuhalten. Zum anderen bedurfte es bei der größeren Beweglichkeit auch der bäuerlichen Wirtschaft nicht mehr eines Markttages. Geschäfte wurden in steigender Zahl nicht mehr nach der Ernte unter Ausnutzung ihres Ertrages geschlossen, sondern bei höherer, umlaufender Geldmenge durchaus auf dem Kreditwege vorfinanziert. Zudem verlagerte sich der Handel bei größerer Mobilität durch die Motorisierung auf die Höfe. Der Bedarf an echten Handelsgütern –wie z. B. den Maschinen – stieg an, war ganzjährig gegeben und wurde zu gegebener Zeit befriedigt.
Von der reinen Herbstkirmes ab den 1960er Jahren . . .
Bereits Anfang der 1960er Jahre zeigten sich die Folgen dieser Entwicklung für den Martinimarkt. Der Viehmarkt wurde eingestellt. Maschinen und Geräte wurden nur noch in geringem Umfang auf der Straße am Kirchplatz angeboten, die reisenden Handwerker blieben aus. Die gewerbliche Wirtschaft am Ort selbst reagierte aber kaum auf diese Entwicklung. Man ließ den Martinimarkt zu einer reinen Herbstkirmes herabsinken, einer der Höhepunkte im Jahreskreis der Nottulner Bevölkerung verschwand fast völlig. Man muss aber daran erinnern, dass sich der Martinimarkt an Größe und Verkaufsumsätzen, wie sie z. B. in der 1930er Jahren erzielt werden konnten, durchaus mit Märkten vom Range des Mariä-Geburts-Marktes in Telgte messen konnte. Zeitgenossen berichten noch, dass rund um den Kirchplatz an den Ketten der Umzäunung Großvieh Stück neben Stück zum Verkauf angebunden war, das gleiche galt in vielen Jahren auch für den Verlauf der Stiftsstraße. Die Notwendigkeit eben des landwirtschaftlichen Handels war es aber gewesen, die zur Gründung des Martinimarktes im frühen 17. Jahrhundert geführt hatte. Der 30jährige Krieg hatte auch im Münsterland und somit auch in Nottuln seine Spuren hinterlassen, Wirtschaftsförderung durch Belebung des Handels mit der Schaffung neuer Märkte ist schon damals wie heute ein beliebtes Mittel zur Förderung der regionalen Wirtschaft und Steigerung der Lebensqualität.
. . . zur neuen Blüte als Mischung aus Festveranstaltung, Kirmes, Krammarkt und Kunsthandwerkerdorf
Der Martinimarkt zu Nottuln entstand in einer schweren Zeit, als das wirtschaftliche und kulturelle Leben auch in den Baumbergeregionen aufgrund verschiedener Kriegswirren unterzugehen drohte. Aus kleinsten Anfängen wurde er zu einem der wichtigsten Termine im Jahreskreis unserer Heimat, um endlich in unserer Zeit eine neue Blüte zu erfahren.
Heute umfasst der Martinimarkt rund 150 Stände von Krämern, Handwerkern, Künstlern, eine umfangreiche Leistungsschau des örtlichen Gewerbes, Handwerks-, Industrie- und Dienstleistungsbereiches sowie rund 30 Schaustellern unterschiedlichster Ausrichtung mit Buden und Fahrgeschäften und ein Kunsthandwerkerdorf auf dem Kirchplatz.